Semmering: Neuer Anfang für das „unendliche“ Tunnel-Projekt


21.03.2008 | 18:28 | JAKOB ZIRM (Die Presse)

 

Seit fast zwanzig Jahren wird an dem Loch zwischen Niederösterreich und der Steiermark geplant und darüber gestritten. Die Entscheidung für die neue Trasse wird demnächst erfolgen.

 

 

 

Wien. Er ist eine Art „Unendliche Geschichte“ der heimischen Infrastrukturpolitik – der Semmeringtunnel. Seit fast zwanzig Jahren wird an dem Loch zwischen Niederösterreich und der Steiermark geplant und darüber gestritten. Demnächst wird wieder Bewegung in das Projekt kommen. Nachdem im Jahr 2005 die alten Planungen endgültig zu Grabe getragen wurden, arbeitete man bei den ÖBB seither an einer neuen Trassierung. Diese wird in den nächsten Wochen fest stehen.




Vier Varianten zur Auswahl

 

„Wir sind in der Endphase der Entscheidung für eine Trasse“, sagt Renate Pelz von der ÖBB-Bau AG. Vier grundsätzliche Varianten der Trassenführung stehen zur Auswahl (siehe Grafik). Der Ausgangspunkt in Niederösterreich ist in jedem Fall Gloggnitz. Auf steirischer Seite läge das Ende entweder in Mürzzuschlag, Ziegenburg, Hönigsberg, Pichlwang oder Langenwang. Daraus würden sich insgesamt 13 mögliche Trassen ergeben. Diese werden von Expertengruppen (Vertreter von ÖBB, Bund und Ländern) nach wirtschaftlichen, technischen, verkehrsplanerischen und umweltbezogenen Kriterien beurteilt. Welche Trasse schlussendlich die Nase vorn hat, könne aber noch nicht gesagt werden, so Pelz.

„Es wird auf jeden Fall eine Trasse sein, bei der alle Bedenken des niederösterreichischen Landeshauptmanns ausgeräumt sind“, heißt es dazu aus dem Infrastrukturministerium. Bekanntermaßen wurde der in den 90er-Jahren geplante Semmeringtunnel ja von Niederösterreich mit Hilfe von Umweltschutzbescheiden verhindert. Ein Umstand, der zwischen Niederösterreich und der Steiermark politisch öfters für Verstimmung sorgte.

„Ich glaube, dass die Entscheidung diesmal von Niederösterreich mitgetragen wird. Der Prozess in den vergangenen Monaten war sehr vertrauensbildend“, meint die steirische Verkehrslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder. Hilfreich dürfte auch sein, dass mit der Bekanntgabe der Trassenentscheidung die niederösterreichische Landtagswahl Anfang März abgewartet wurde. „So wurde das kein Wahlkampfthema“, so Edlinger-Ploder. Sollte Niederösterreich jedoch trotzdem einen „unerwarteten Meinungsschwenk machen, würden ich und Landeshauptmann Franz Voves das nicht akzeptieren.“

 

Ob Niederösterreich dem Projekt inzwischen wohler gesonnen ist, lässt sich allerdings noch nicht sagen. „Es ist noch keine Trassenentscheidung gefallen. Daher wird das neue Tunnelprojekt erst zu beurteilen sein, wenn das Auswahlverfahren abgeschlossen ist“, heißt es aus dem Büro von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll zum Thema Semmeringtunnel.




Reine Baukosten: 1,9 Mrd. Euro

 

Wenn die Entscheidung für eine Trasse gefallen ist, soll die Feinplanung beginnen. Ab dem Jahr 2012 sollen dann die Bagger wirklich mit dem Bau des Tunnels beginnen. 2020 könnte er fertig sein. Zuvor dürfte allerdings noch die Finanzierung für Diskussionen zwischen Wien, Graz und St. Pölten sorgen. In den Planungen der ÖBB sind für den „neuen“ Tunnel etwas über zwei Mrd. Euro veranschlagt. 1,9 Mrd. davon für den Bau des endgültigen Tunnels, der Rest für Planungen und Pilotstollen.

 

„Ein Beitrag des Landes ist im Ausmaß von 20 Prozent des Nahverkehrsanteils vorstellbar“, sagt Edlinger-Ploder. Der Nahverkehrsanteil ist jener Teil eines überregionalen Infrastrukturprojekts, der allein der Region zu Gute kommt. Wie hoch dieser beim Semmeringtunnel ist, müsste allerdings noch festgelegt werden. Die Länder können besonders gewünschte Projekte durch einen stärkeren Zuschuss nach vorn reihen. So zahlen Kärnten und die Steiermark beispielsweise 280 Mio. Euro zum Koralmtunnel hinzu, um ihn schneller zu bekommen. Für Niederösterreich ist es noch „viel zu früh“, um über mögliche Finanzierungszuschüsse zu reden. Der bereits seit 1994 bestehende Sondierstollen am Semmering soll laut ÖBB „weitestgehend verwendet werden“. Ob dies technisch möglich ist, ist allerdings fraglich. Das Abpumpen des eindringenden Wassers kostet inzwischen weiterhin 14.000 Euro pro Monat. Obwohl man mit den Arbeiten für den endgültigen Tunnel noch am Anfang steht, kostete das Projekt bislang bereits rund 110 Mio. Euro.

 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2008)