Privatbahn zwischen Wien und Salzburg

Was ein wenig nach Utopie klingt, wird 2011 Realität:

Stefan Wehinger stellt eine Privatbahn auf Österreichs Schienen.

Stefan Wehinger bereitet eine Revolution vor: Ende 2011 soll seine Privatbahn zwischen Wien und Salzburg fahren. Mit Schweizer Wissen und Schweizer Zügen bricht der Privatbahnpionier endgültig das Monopol des Staatsbetriebes ÖBB. Es ist allerdings eine stille Revolution, die bisher wenig Aufsehen erregt hat. Kein Wunder, dass Wehinger sogar Interview-Anfragen überraschen: "Worüber sollen wir eigentlich reden?", fragt er.

KURIER: Sie proben gerade eine Revolution. Und Sie erregen damit doch wenig Aufsehen.
Stefan Wehinger:
Die Revolution ist, dass wir in einem Bereich der Wirtschaft sind, der zwar liberalisiert war, aber niemand hat die Liberalisierung in Anspruch genommen. Wir können auf der grünen Wiese etwas völlig Neues aufbauen, ohne Altlasten. So können neue Ideen entstehen, die bisher undenkbar waren. Kurz gesagt: Es geht darum, den ganzen Prozess der Reise zu vereinfachen.

Sie sind Physiker, haben in den USA am renommierten MIT studiert. Wie kommt man da zur Bahn? Sie kennen den Spruch: Wer nichts kann, geht ...
... zur Post oder Bahn. Ja. Ich bin wie die Jungfrau zum Kind gekommen, vom Autozulieferer zur Montafoner-Bahn. Die haben einen Vorstand gesucht, ich war im richtigen Alter - das hat mich interessiert, weil mich diese Bahn schon als Kind fasziniert hat. Dann habe ich mich bei der ÖBB beworben und den Job bekommen - sicher nicht ohne Hilfe vom damaligen Verkehrsminister (Hubert Gorbach, Anm.). Den ÖBB-Personenverkehr hätte ich auch gerne weiter gemacht, ich habe den Job geliebt.

Sie machen ja heute auch nichts anderes. Aber lässt sich damit Geld verdienen?
Es macht auch der ÖBB-Personenverkehr im operativen Geschäft ein Plus.

Und Sie sind abhängig von den Bundesbahn. Sie fahren auf ihren Gleisen.
So wie Max.Mobil der Erste war, der Leitungen und Masten der Post benutzt hat, um das erste alternative Mobilfunknetz aufzubauen, so benutzen wir eine Infrastruktur, die dem Bund gehört und von der ÖBB verwaltet wird.

Sie werben mit der Pünktlichkeit Ihrer Bahn. Stecken Zugverspätungen nicht schon in der Infrastruktur?
Mit Ende 2011 gibt es einen Riesensprung in der Infrastruktur von Wien nach Salzburg. Viele Projekte, an denen man seit Jahrzehnten arbeitet, werden fertig. Und die Pünktlichkeit hängt auch davon ab, wie man Infrastruktur benutzt. Vielleicht fehlt Mitarbeitern anderswo der Biss. Wir können unsere Leute von Grund auf neu ausbilden, um das Beste aus der Infrastruktur herauszuholen.

Sie sind mit einem jungen Team unterwegs?
Wir sprechen gezielt Menschen an, die uns gefallen. Wenn im Café ein Kellner besonders freundlich ist, dann bekommt er von unseren Mitarbeitern eine Visitenkarte in die Hand. So haben wir schon fantastische Leute gefunden.

Man hört, Sie lassen Luxuszüge fahren.
Das ist ein Irrtum. Wir sind kein Schickimicki-Club, sondern ein Zug für die breite Masse. Einfach ein schöner, sauberer Zug ohne Probleme mit Technik und Ticketkauf.

Klingt einfach. Eine Zeitung hat aber geschrieben, "Wehinger der Erfinder". Sind Sie Erfinder?
Solche Pläne, wie wir sie haben, gibt es in vielen Ländern. Nehmen Sie Virgin-Boss Richard Branson und seine Bahn in England. In Italien entsteht derzeit das größte derartige Unternehmen von Luca di Montezemolo - stellen Sie sich vor, der Ferrari-Mann gründet eine Bahn.

Ferrari klingt nach Geld. Und Sie haben nicht gerade ein kleines Start-up vor: Man sagt, 120 Millionen Euro stecken drinnen. Da braucht man Beziehungen.
Wir haben alles außerhalb Österreichs aufgestellt. Schweizer Wissen, Schweizer Züge, Schweizer Finanzierung.

Eine Schweizer Bahn?
Die "Swissness" ist Teil der Idee, wir wollen das alles sehr schweizerisch aufziehen. Was wir aber als Erstes brauchen, neben guten Ideen, ist jemand wie Hans-Peter Haselsteiner (der Strabag-Chef ist an Wehingers Bahn beteiligt, Anm.), der bereit ist, in strategische Ideen zu investieren. Da geht's ja nicht ums schnell verdiente Geld, sondern darum, in die Zukunft zu investieren. Es gibt viele Leute mit Geld und viele mit guten Ideen. Das zusammenzubringen ist die Kunst.

Sie wollen ein Versorgungssystem aufbauen.
Genau. Es sollen viele weitere Bahnen folgen.

Mit "Westbahn" haben Sie dann keinen glücklichen Namen für Ihr Unternehmen gewählt.

Nein. Pro Linie, die wir bewirtschaften, wollen wir eine eigene Gesellschaft aufbauen, um nicht zu fett in der Zentrale zu werden.


Zur Person: Ein Vorarlberger in Wien

 

Physiker Stefan Wehinger (*1966 in Ludesch, Vorarlberg) studierte Technische Physik an der TU Wien und am Massachusetts Institute of Technology. Bis 2000 arbeitete Wehinger beim Vorarlberger Autozulieferer König, bis 2004 war er Vorstandsdirektor der Montafoner-Bahn AG.

Vorstand Unter dem Vorarlberger FPÖ-Verkehrsminister Hubert Gorbach kam Wehinger von 2004 bis 2008 in den Personenverkehrsvorstand der ÖBB. Als Vorstandsvorsitzender der Rail Holding AG (www.westbahn.at) will er 2011 die ersten privaten Personenzüge auf die Westbahnstrecke bringen.