ÖBB-Kabeldiebe schliefen in einem Feld

Wegen gestohlener Erdungskabel legte ein Blitz ein Stellwerk lahm. Die Auswirkungen spüren die Pendler noch heute.

Dicke Erdungskabel aus Kupfer stehen bei Buntmetalldieben auf der Hitliste ganz oben. Ein Kraftakt mit dem Bolzenschneider und schon haben die Ganoven ein Kilogramm des begehrten Buntmetalls in der Tasche. Seit Monaten sorgten so Buntmetall-Diebe für einen immensen Schaden bei den ÖBB. Der schlimmste entstand durch einen Blitzschlag, der das durch den Diebstahl ungesicherte Stellwerk in Süßenbrunn an der Wiener Stadtgrenze zerstörte. Jetzt ertappten Kriminalisten ein slowakisches Duo, 41 und 46 Jahre alt, in flagranti. Die beiden sind in Haft. Es gibt Hinweise, dass das Duo auch für den Ausfall des Süßenbrunner Stellwerkes durch die Demontage sämtlicher Erdungskabel verantwortlich ist. Beweisen sollen das jetzt die Kriminaltechniker.

Vor wenigen Tagen war für das Duo auf der Schnellbahnlinie S 2 zwischen Kapellerfeld und Obersdorf quasi Endstation. Nachdem Spaziergänger in einer Bahnunterführung auffällig zugedeckte Rucksäcke entdeckt hatten, rückten Polizisten und Kriminalisten aus. Die Rucksackbesitzer waren bald gefunden. "Sie schliefen tief eingekauert in ihren Schlafsäcken im Feld", sagt ein Ermittler. In der Nacht zuvor hatte jemand entlang der Schnellbahnstrecke neuerlich die kupfernen Erdungskabel von den Masten und dem Gleiskörper gezwickt. Unweit der Rücksäcke lagen die fingerdicken, mit gelbem Plastik ummantelten Drähte zum Abtransport bereit.

Auch in den Nächten davor waren die Täter auf "Kabel-Tour" entlang der Schnellbahnlinie unterwegs, sowohl in Wien als auch in Niederösterreich.
Als mutmaßlicher Hehler steht ein Schrotthändler aus Wien unter schwerem Verdacht. Die Ermittlungen sind aber erst am Anfang. Der 41-jährige Slowake wurde wegen eines aufrechten Einreiseverbots sofort abgeschoben. Der 46-Jährige wurde auf richterliche Anweisung in U-Haft genommen.

Lärmschutzwände, Oberleitungsmasten sowie die Schienen müssen - für den Fall, dass es zu Überspannungen kommt - geerdet sein. Weil die Kabel rund um das Stellwerk in Süßenbrunn abmontiert wurden, kam es dort am 9. Juni zu einem folgenschweren Kurzschluss. "15.000 Volt schossen durch die Leitungen und zerstörten die Relais", sagt ÖBB-Pressesprecher Herbert Ofner.

Millionen-Schaden

Der materielle Schaden ist mittlerweile bezifferbar. Rund fünf Millionen Euro kostete die Errichtung des Stellwerkprovisoriums, weitere fünf Millionen Euro der Neubau der Schaltzentrale für die Weinviertel-Schnellbahnlinien. Nicht miteingerechnet ist der Image-Schaden für die ÖBB und die verlorene Lebenszeit der Pendler, die seither täglich zwischen 10 und 15 Minuten mehr in den Zügen verbringen. "Bei der Fahrt nach Gänserndorf sind es ein paar Minuten mehr", sagt Ofner.

Bis Ende November soll das Stellwerk-Provisorium endgültig fertig sein und die lästigen Verspätungen der Vergangenheit angehören. Ofner: "Das ist zwei Wochen früher als geplant."

Nach dem Desaster setzt die ÖBB auf Prävention. Sofern technisch möglich, werden Erdungsleiter aus Aluminium verwendet. "Das ist für die Täter nicht mehr so lukrativ", sagt Ofner.