"ALLEGRA": Erster neuer RhB-Triebzug rollt ein

Der 14. Oktober 2009 wird als Meilenstein in die Geschichte der Rhätischen Bahn (RhB) eingehen: Der erste von 15 neuen Zweispannungstriebzügen der Reihe «ALLEGRA» hat an diesem Tag das Werk bei der Stadler Altenrhein AG verlassen und wurde von der Rhätischen Bahn (RhB) in Landquart feierlich empfangen. Etappenweise werden nun die restlichen Triebzüge ausgeliefert und auf dem RhB-Netz getestet, sodass die ersten fünf Züge ab Mai 2010 fahrplanmässig in Betrieb genommen werden können.

Die 15 modernen Zweispannungstriebzüge werden auf der Berninalinie, der Chur-Arosalinie sowie auf der Strecke Landquart – Davos eingesetzt. Das Auftragsvolumen beträgt rund 150 Millionen Franken. Weitere fünf Triebzüge für den Agglomerationsverkehr sind bereits bestellt und werden 2011 den Pendlern im Grossraum Chur deutlich mehr Komfort bieten. Für diese zweite Etappe investiert die RhB weitere 50 Millionen Franken. Die neuen Triebzüge entsprechen den Wünschen und Erwartungen des modernen Kunden – sie sind komfortabel, behindertengerecht, klimatisiert und mit Informationssystemen ausgerüstet. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit der RhB am Markt gestärkt.

Zwei Spannungssysteme – ein Zugtyp
Die erste Etappe des Flottenkonzepts der Rhätischen Bahn umfasst die Beschaffung von 15 dreiteiligen Zweispannungstriebzügen im Umfang von rund 150 Millionen Franken. Die erste Komposition wurde am 14. Oktober 2009 von der Stadler Altenrhein AG an die RhB übergeben. Die ersten fünf Züge werden bis April 2010 ausgeliefert und werden somit ab dem Fahrplanwechsel im Mai 2010 für eine erste deutliche Entspannung der Betriebssituation auf der vor allem im Sommer sehr stark ausgelasteten Berninalinie sorgen. Die bisher eingesetzten, teilweise bereits historischen Triebwagen auf der Berninalinie entsprachen nicht mehr den Erwartungen des heutigen Fahrgastes und des Betriebs. Dank des flexiblen Einsatzes werden diese Zweispannungstriebzüge auch auf der Arosalinie verkehren. Zudem werden die neuen Zweispannungstriebzüge auch auf der Linie Landquart – Davos – Filisur eingesetzt.

Ein Kraftpaket
Der neue Zweispannungstriebzug ist nicht nur hochmodern, sondern verbirgt in seinem Innern wesentliche Innovationen und viel Power. Die mehrsystemfähige Antriebsausrüstung bringt eine Leistung von 2,6 MW (zum Vergleich: die stärkste Lok der RhB, die Hochleistungslokomotive Ge 4/4 III, bringt es auf 3.2 MW). Ein weiteres Merkmal des neuen Triebzuges ist die hohe Anfahrzugkraft von 260kN, welche diejenige der Ge 4/4 III sogar um 30% übertrifft. Damit ist der «ALLEGRA» ein bezüglich Leistungsdichte, Leistungsfähigkeit und Gewicht weltweit einmaliger Meterspurtriebzug. Da schreiben die RhB, Stadler und die Lieferanten wahrlich Innovationsgeschichte. Dabei war es technisch besonders herausfordernd, dieses Powerpaket im beschränkten Platz unter dem Triebwagenboden zu «verstauen». Der Platz im Triebzug sollte nämlich für Sitzplätze reserviert bleiben. Dank dem gewählten Konzept und der entsprechend innovativen Umsetzung wurde dieses Ziel auch erreicht. Allein in den beiden Triebwagen konnten so 64 Sitze und 8 Klappsitze placiert werden.

Die neuen Triebzüge können den Stromsystemwechsel auch fahrend durchführen. Entsprechend entfällt zukünftig der Triebfahrzeugwechsel in Pontresina zwischen Stamm- und Berninalinie, was zu einer weiteren Reisezeitverkürzung führt. Die moderne Antriebsregelung sowie der Einzelachsantrieb stellen sicher, dass die Triebzüge mit schweren Anhängelasten und bei allen Witterungsbedingungen die Steigungen des RhB-Netzes bewältigen können. Peter Spuhler, Inhaber und CEO der Stadler Rail Group, lobt die am Projekt beteiligten Ingenieure: «Ich bin stolz, dass wir in der Schweiz ein derartiges Know-how im Schienenfahrzeugbau wieder aufbauen konnten. Mit dieser Technik und Innovationskraft spielen wir in der Champions League».

Der neue Zug im Fokus der (Bahn-) Paparazzi
Der neue Triebzug «ALLEGRA» besteht aus zwei Trieb- und einem Zwischenwagen. Letzterer bietet dank Niederflurbereich einen bequemen Einstieg, behindertengerechte WC sowie Abstellplätze für Kinderwagen. In allen drei Gliedwagen sind auch Abstellvorrichtungen für Fahrräder eingebaut. Insgesamt bieten die Triebzüge in der 1. Klasse 24 und in der 2. Klasse 76 Sitzplätze sowie weitere Klappsitze und Stehplätze. Die Fahrgasträume sind vollklimatisiert und mit einem modernen Fahrgastinformationssystem mit Flachbildschirmen ausgerüstet.

Der neue Triebzug «ALLEGRA» fällt nicht nur bezüglich Modernität, Komfort, Kundenfreundlichkeit und Sicherheit auf, auch sein äusseres Erscheinungsbild hebt sich von bestehenden Vorbildern ab. Auf seiner wuchtigen Stirnfront beeindruckt das Bündner Wappen. Der Steinbock symbolisiert das Selbstbewusstsein und das Bekenntnis der RhB zum Kanton Graubünden. Der untere Teil des Führerstands mit der zur Spitze laufenden Form und dem geraden, nach hinten gewölbten Führerstandsfenster verleiht dem Fahrzeug eine gewisse Eleganz. Gleichzeitig vermittelt das Design aber auch die Sicherheit und Kraft, welche im neuen Fahrzeug stecken. Ohne Zweifel wird der neue Zug (nicht nur) bei den unzähligen Eisenbahnfreunden im Fokus der Foto- und Filmobjektive sein.

«Vrin» und «Vals» als Innendesignelemente

Auch das Innendesign der neuen Triebzüge hat es in sich – es entwickelte sich aus dem Markenversprechen der RhB, als leistungsstarke Erlebnisbahn in den Alpen wahrgenommen zu werden. Das Interieur-Design nimmt die lokale Tradition der Baukultur auf und interpretiert diese neu – ein Ansatz, mit welchem es die Bündner Architektur zu Weltruhm gebracht hat. Um eine klar lesbare Struktur zu schaffen und dem Layout eine gewisse Grosszügigkeit zu vermitteln, wurden zwei Oberflächenthemen gewählt, die sich durch den ganzen Zug ziehen. Als moderne Interpretation traditioneller Holzbauweise zieht sich die Oberfläche «Vrin» als Seitenwandverkleidung linear durch den gesamten Zug. Unterbrochen wird es von den Apparatekästen, die durch die Oberfläche «Vals» als unregelmässig geschichtete Monolithen erscheinen.

Der Kunde im Fokus
Basis der künftigen RhB-Flotte im Reiseverkehr bilden somit moderne, klimatisierte sowie mit behindertengerechten Einrichtungen und kundenfreundlichen Informationssystemen ausgerüstete Züge. So gesehen ist die Auslieferung der ersten Triebzüge ein Meilenstein in der Geschichte der RhB. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung der RhB, Erwin Rutishauser: «Die neuen Triebzüge sind in Technik und Design ein Quantensprung und entsprechen der Ausrichtung der Rhätischen Bahn als modernes, innovatives und auf den Kunden bezogenes Unternehmen». Die Triebzüge werden als Zweispannungs- und Einspannungszüge in mehreren Etappen beschafft, so dass der Fahrgast auf weiten Teilen des RhB-Netzes in absehbarer Zeit ein erheblich attraktiveres Angebot geniessen wird. Mit der gewählten Strategie können die ältesten Triebfahrzeugkategorien und die ältesten Reisezugwagen ausgemustert und Refitkosten in erheblichem Ausmass vermieden werden. Zudem ermöglicht das Konzept, kostengünstiges bestehendes Rollmaterial nachfragegerecht für den Spitzenverkehr einzusetzen und die Flotte merklich zu verjüngen. Konkret werden rund 130 zum Teil über 60-jährige Reisezugwagen und 30 ebenso alte Triebfahrzeuge ausgemustert. Rutishauser: «Das Beschaffungsprogramm dient somit der dringend notwendigen Substanzerhaltung beim Rollmaterial – zum Wohle unserer Feriengäste und der treuen Kunden im Agglomerationsverkehr».

Ab Fahrplan 2010 im Regelbetrieb
Bis die ersten fünf Triebzüge der ersten Tranche Mitte Mai im fahrplanmässigen Einsatz stehen sind noch umfangreiche Testfahrten auf dem Netz der Rhätischen Bahn vorgesehen. Nach der technischen Abnahme durch das Bundesamt für Verkehr BAV Ende Jahr sind erste Testfahrten mit RhB-Mitarbeitenden und deren Angehörigen geplant. Höhepunkt bildet mit Sicherheit die grosse Publikumsfeier mit offizieller Taufe am 1. Mai 2010 in Landquart. Rutishauser: «Dazu wollen wir zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht mehr verraten». Fest steht heute schon, dass der Bevölkerung und den Gästen aus ganz Gaubünden Gelegenheit geboten wird, mit den neuen Triebzügen nach Landquart zu fahren und die Fahrzeuge auf Schnupperfahrten kennen zu lernen.

Nächste Etappe: Fünf Züge für die treuen Pendler
In einer zweiten Etappe werden die rund 40-jährigen Pendelzüge durch fünf vierteilige Einspannungstriebzüge ersetzt. Der Service Public im Agglomerationsverkehr im Churer Rheintal (Linien Chur – Thusis und Schiers – Rhäzüns) wird dadurch deutlich attraktiver gestaltet und ausgebaut. Die Bestellung dieser Triebzüge ist bereits ausgelöst und die Inbetriebsetzung erfolgt im Frühjahr 2011. Die fünf Triebzüge kosten rund 50 Millionen Franken.

Investitionen in die Zukunft der RhB
Insgesamt belaufen sich die Kosten der ersten und zweiten Etappe damit auf rund 200 Millionen Franken. Die Finanzierung des Flottenkonzepts wird über Kanton und Bund, den Kapitalmarkt sowie über die Auslösung von Rücklagen sichergestellt. Ohne den vom Kanton zur Verfügung gestellten Finanzbeitrag in der Höhe von 22 Millionen Franken hätten die dringend notwendige Ersatzbeschaffung und die damit verbundene Modernisierung des Rollmaterials nicht derart schnell realisiert werden können.