Cisalpino - Bahnfahren wie vor 50 Jahren ?!?

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit mit dem Cisalpino von Zürich nach Mailand und zurück zu fahren. Um das Verdikt gleich vorweg zu nehmen, der Zug ist Sch…, naja, er nervt!

CISALPINO in Zürich HB                                                         Foto: Marcel Manhart

Schon beim ersten Anblick erinnert die ganze Komposition an die Bahnbauweise etwa der 50er Jahre. Er ähnelt sehr dem Nachtschnellzug „Pablo Casals“ der einem von Zürich nach Barcelona schaukelt. Diesen hatte noch Spaniens General Franco bauen lassen damit seine reichen Spiessgesellen zum Skifahren in die Schweiz fahren konnten. Der Generalissimo ist zum Glück schon seit langem tot, seine Vorstellung von Eisenbahnen lebt aber offenbar bei den SBB weiter.

Steigt man in den Cisalpino bemerkt man zuerst einmal die viel zu kleinen Fenster. Schade, denn man fährt ja bekanntlich über den Gotthard, eine der schönsten Bahnstrecken der Welt. Wobei dieses Argument so in etwa fünf bis zehn Jahren (ich bin da vorsichtig) auch nicht mehr zählt, denn dann sieht man nur noch Loch – die NEAT – gleich nochmals schade!
Das Verstauen eines normalen Reisekoffers ist eine wahre Kunst denn die Gepäckablage eignet sich gerade etwa für Flugzeug-Bordgepäck.
Auch normalgewichtige Reisende können sich nur mit Hochklappen des Tischchens (wie das geht ist eine Entdeckung für sich) oder der Armlehne in die engen Sitze quetschen.

Vor mitgebrachter Reiseverpflegung sei gewarnt denn die Möglichkeiten allfälligen Abfall zu verstauen sind sehr beschränkt (wenn sich der Behälterdeckel denn überhaupt öffnen lässt). Dafür gibt es aber zum Glück eine Minibar welche durch den Zug geschoben wird – aber nur sofern die Abteiltüre nicht klemmt. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass auf der Gotthardroute die Zugbegleiter in der ersten Klasse ein Essen servieren sollen. Bei meiner Fahrt war dies jedenfalls nicht so. Vielleicht hat man meinen Ärger über den Cisalpino gesehen und sich irgendwo verkrochen.


Das grösste Ungemach beim Cisalpino bieten jedoch die Toiletten. Eine absolute Schmuddeleinrichtung! Bei der Hinfahrt tröpfelte das Wasser beim Waschbecken lediglich, was aber offenbar noch viel ist, denn bei der Rückfahrt gabs überhaupt kein Wasser. Sehr angenehm in Zeiten der Schweinegrippe wo einem das oftmalige Händewaschen doch so nahe gelegt wird. Vielleicht müsste man einmal die Herren vom Bundesamt für Gesundheit zu einer Cisalpinofahrt verdonnern. Bei Wassermangel wechselt aber der gewiefte Zugfahrer einfach kurz den Wagen, was ich auch tat. Dort funktionierte das Waschbecken perfekt, dafür war keine Seife vorhanden.


Der Zug hat auch einen Speisewagen – mit EINEM Kellner. Wer also an der Stehbar lediglich einen Kaffee bestellen will muss sich in Geduld üben – in viel Geduld!

Ein Gutes kann ich aber über meine Fahrt berichten, wir kamen an, und das sogar pünktlich, was ja auch nicht selbstverständlich ist.

Eine Fahrt mit dem Cisalpino ist also überhaupt kein Vergnügen sondern schon fast ein bisschen gruusig – wäh!! Es ist zu hoffen, dass die SBB-Verantwortlichen gelegentlich mal einen Blick in einen modernen ICE-Zug zum Beispiel der Deutschen Bahn werfen. DAS ist Bahnfahren im dritten Jahrtausend.