SBB schenken den Fahrleitungen mehr Beachtung

Die Ursachen der weitreichenden SBB-Panne in Dietikon vom Frühling sind geklärt. Ein Fehler bei der Planung führte zur falschen Montage der Fahrleitungen. Diese wurden beim Zwischenfall von Ende März 2009 heruntergerissen. Die SBB prüfen nun Massnahmen zur Minimierung der Störungsanfälligkeit.

Der Stromausfall im Tessin hat es wieder einmal verdeutlicht: Störungen im dicht gewobenen SBB-Netz können innert kurzer Zeit weitreichende Folgen haben. Während die Panne im Tessin relativ rasch wieder behoben werden konnte, hatte im Frühling eine Störung in Dietikon gravierendere Auswirkungen. Am 26. März, kurz vor 16 Uhr, riss ein Intercity in Dietikon die Fahrleitung quer über die Gleise herunter und blockierte dadurch alle sechs West-Ost-Verbindungen.

Zehntausende verspätet
Der Zwischenfall hatte zur Folge, dass 500 Züge Verspätungen erlitten und 30 Kompositionen ganz ausfielen. Zehntausende von Pendlern mussten sich auf dem Heimweg in Geduld üben. Am Zwischenfall waren drei Züge beteiligt, die Verantwortlichen rätselten anfänglich, wie sich der Stromabnehmer einer Lokomotive vom Typ Re 460 (Lok 2000) in der Fahrleitung verfangen konnte.

Nach einer SBB-internen Untersuchung ist nun klar, wie es zur Panne kam. Ursache war eine Unregelmässigkeit bei der Anlage und nicht bei der Lokomotive. Der seitlich einlaufende Weichendraht der Fahrleitung war 4 Zentimeter tiefer als der geradeaus laufende Fahrdraht. Zudem war der Fahrdraht auf der falschen Seite exzentrisch, was begünstigte, dass sich der Stromabnehmer einer Lokomotive zu stark auf die Seite neigte und somit eine erhöhte Gefahr bestand, in den einlaufenden – und zu tief montierten – Weichendraht einzufädeln.

Der Weichen-Fahrdraht (rot)  war vier Zentimeter tiefer als der gerade verlaufende  Fahrdraht,  was  ein  Einfädeln  mit  dem  Stromabnehmer begünstigte.                                                                                     (Bild: SBB)

Die SBB gehen davon aus, dass sich der entscheidende Fehler bei Detailplanung der Anlage vor über 10 Jahren und nicht bei der Montage eingeschlichen hat. Auch ein Materialfehler lag nicht vor, wie SBB-Sprecher Roman Marti gegenüber NZZ Online erklärt. Marti weist darauf hin, dass bis zur Panne Zehntausende von Zügen die kritische Stelle befahren haben, ohne dass etwas passiert wäre. Im entscheidenden Moment muss es demzufolge zu einer unglücklichen Kombination mit anderen Einflüssen (beispielsweise der Dynamik der Lokomotive) gekommen sein.

 

Programm ausgelöst
«Der Zwischenfall Dietikon war mit ein Grund, weshalb SBB Infrastruktur ein Programm zur Reduktion von Fahrleitungsstörungen ausgelöst hat», sagt SBB-Sprecher Marti weiter. Gegenwärtig sind die Bundesbahnen daran, mögliche Massnahmen in verschiedenen Bereichen zu benennen – eine Phase, an der gegen 30 Personen bis Mitte September beteiligt sind. Die Umsetzung der Massnahmen dauert dann voraussichtlich bis 2014.

 

Permanente Überwachung geprüft
Konkret planen die SBB eine stärkere Differenzierung von Inspektionen der Fahrleitungen. Das heisst, wo viel gefahren wird, soll häufiger geprüft werden als auf schwächer frequentierten Strecken.

Laut SBB-Sprecher Marti sind des Weiteren Verbesserungen bei der Auswertung der Daten des Diagnosefahrzeugs geplant. Dieses misst mit einer statischen (optischen) Messung den Zustand der Fahrleitungen. Und schliesslich – was eine Neuerung wäre – prüfen die SBB die Installation von Messeinrichtungen auf «normalen» Zügen, um damit wichtige Strecken permanent überwachen zu können.

Die Massnahmen entsprechen auch den Vorstellungen des neuen SBB-Infrastrukturchefs, Philippe Gauderon, der im April unter anderem eine Netz-Analyse sowie die Abkehr von pauschalen Standards bei der Infrastruktur angekündigt hatte.