Graufahrer - Ein SBB-Kondukteur auf Hetzjagd

Ein SBB-Angestellter bläst im Internet zur Jagd auf einen «Graufahrer», der sich erfolgreich ­gegen eine Busse wehrte.

«Wohin wird es ihn ­(hoffentlich nicht im wahrs­ten Sinne des Wortes) als Nächstes verschlagen?» Mit Sätzen wie diesem eröffnete Kondukteur Andreas Hobi in seinem vielbeachteten Blog schweizweit.net eine Hetzjagd gegen den Bahnreisenden Ranil Jayanetti. Dieser hatte den Zorn des SBB-Angestellten auf sich gezogen, weil er sich erfolgreich dagegen gewehrt hatte, dass ihn die Bahn wie einen Schwarzfahrer behandelte, als er irrtümlich in der ersten Klasse sass. Reisende mit falschem Billett dürften aber nicht gleich bestraft werden wie Schwarzfahrer, befand das Bundesamt für Verkehr (siehe Artikel zum Thema «Schwarzfahren: Bundesamt pfeift SBB zurück»). Abschliessend entschieden ist noch nichts, die Bahn zog den Entscheid weiter.

Doch sollte es dabei bleiben, sind die Folgen für den bloggenden Kondukteur jetzt schon klar: Die Bussen für «100-prozentiges Schwarzfahren» müss­ten steigen. Jayanetti könnte so zum Sündenbock werden und «ernsthafte Schwierigkeiten mit anderen Schwarzfahrern bekommen, sobald er seine Wohnung verliesse». Den Artikel ver­linkte Hobi mit einem Bericht über einen Taucher, der sich die eigene Harpune in den Kopf schoss, angerei­chert mit dem Kommentar, auch bei Jayanetti könnte der Schuss nach hinten losgehen. Es folgen Angaben darüber, wie man Jayanetti findet. Das Ganze liest sich wie die Anleitung für einen Schlägertrupp. «Unter dem Vor­wand, sich um sein Wohlergehen zu sorgen, droht der Blogger dem Opfer – und das massiv», so die Einschätzung von Hans Stutz, Journalist und Beobachter der rechtsextremen Szene.

SBB: «Unangebrachter Artikel»
SBB-Sprecher Daniele Pallecchi distanziert sich vom Blog-Eintrag. «Den Artikel erachten die SBB vor dem Hintergrund des hängigen Verfahrens als un­angebracht.» Kondukteur Hobi selbst sieht sich nicht als Brandstifter. «Die Absicht hinter meinen Aussagen war keinesfalls, Herrn Jayanetti zu drohen oder ihm Schrecken einzujagen. Vielmehr wollte ich aufzeigen, dass es nicht nur positive Seiten hat, wenn man mit einer Sache so offensiv in die Medien geht.» Ganz so sicher war sich der Kondukteur dann aber offenbar doch nicht. Kaum hatte sich der Beobachter eingeschaltet, nahm er den Artikel vom Netz – im Schnellzugstempo. 

 

 

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Schwarzfahren - Bundesamt pfeift SBB zurück

Die SBB bestrafen Reisende mit falschem Billett härter als Schwarzfahrer. Dagegen wehrte sich ein Passagier. Das Bundesamt für Verkehr gibt ihm Recht und pfeift die SBB zurück. 

Ranil Jayanetti war sich keiner Schuld bewusst, als er kurz nach Mitternacht in der S-Bahn von Zürich nach Schaffhausen in eine Kontrolle geriet. Er zeigte sein Billett. Doch die Kontrolleure erklärten ihm, er sitze hier in der ersten Klasse, sein Fahrausweis jedoch sei nur für die zweite gültig. Jayanetti sass in einem Doppelstockwagen mit zweiter Klasse oben und erster Klasse unten. «Erst da merkte ich, dass ich im Erstklass-Bereich sass. Bei offener Tür hatte ich nur ‹2. Klasse› angeschrieben gesehen. Selbst die Sitze hatten dieselbe Farbe. Da ich während der Fahrt gelesen hatte, war mir nichts aufgefallen», sagt er. Doch die Kontrolleure blieben hart und bestraften ihn mit einem Zuschlag von 80 Franken, weil er ohne gültige Fahrkarte unterwegs war.

Das wollte Ranil Jayanetti nicht auf sich sitzen lassen und beklagte sich beim Bundesamt für Verkehr (BAV). Als Aufsichtsbehörde des öffentlichen Verkehrs leitete das Amt ein Verfahren ein und hob den Zuschlag gegen ihn auf. Grund: Mit ihrer Zuschlagspraxis hätten die SBB gegen das Transportgesetz verstossen. Denn der Bahn ist es egal, ob ein Reisender ohne Billett schwarz fährt, in der falschen Klasse sitzt oder nur eine Tarifzone zu wenig gelöst hat – jeder wird konsequent mit 80 Franken gebüsst. Das aber geht nicht, entschied das BAV: Wenn alle Reisenden ohne gültiges Billett über denselben Leisten geschlagen würden, würden Schwarzfahrer gegenüber Reisenden mit falschem Billett sogar noch belohnt, da sie ja keine Kosten für ein Billett hätten. Ob dieser Grundsatzentscheid des Bundesamts die SBB zwingen wird, künftig differenzierter zu bestrafen, ist noch offen. Die Bundesbahn will den Entscheid vor Bundesverwaltungsgericht anfechten.

Noch härter packten die SBB Hansjörg Maag an. Wäre der 65-Jährige schwarz gefahren, hätte er 80 Franken bezahlt, stattdessen stellt ihm die Bahn 237 Franken in Rechnung. Sein Vergehen: Er hatte sein Abonnement vergessen, informierte den Kontrolleur darüber und zeigte ihm eine Kopie seines Abos. «Die Kopie hatte ich im Portemonnaie. Ich zeigte sie, damit der Kontrolleur überprüfen konnte, dass ich die Wahrheit sagte», so Maag. Doch die SBB taxierten seine Kopie als «Fälschung» und büssten ihn deswegen. Mediensprecher Roland Binz rechtfertigt das Vorgehen: «Um Missbräuche zu verhindern, gelten Kopien von Billetten und Abonnementen nicht als gültiger Fahrausweis. Denn wir können nicht kontrollieren, ob gleichzeitig jemand anderer das Original-Abo benutzt.»