Kabeldiebe legten die Schnellbahn in Wien lahm

Fehlende Erdungskabel trugen dazu bei, dass ein Blitzschlag das ÖBB-Stellwerk in Süssenbrunn völlig verschmoren liess

Die dicken Erdungskabel aus Kupfer erzielen auf den Schwarzmärkten in Osteuropa hohe Preise!

Foto: Franz Eder

 

 

Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert. Im Stellwerk der ÖBB in Süssenbrunn schlug der Blitz ein und schleuderte die Bundesbahn auf den Strecken in Richtung Wien-Leopoldau, Gänserndorf und Mistelbach zurück in die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Der Blitz liess die Steuerungsanlagen der ÖBB und zahllose Kabel verschmoren. Die katastrophale Folge: Jedes Signal, jede Weiche muss derzeit per Hand bedient werden, die Lokführer müssen auf Sicht fahren. Seit Tagen stöhnen Bahnpendler über Verspätungen, der Informationsfluss der ÖBB war suboptimal. Die Schadensbehebung wird Monate dauern.

Buntmetall
Bahn-Insider wundert die Katastrophe nicht. Sie rechneten seit geraumer Zeit damit. Es war nur eine Frage des Wo und Wann. Denn seit Jahren sind die ÖBB das "Materiallager" für Buntmetalldiebe aus Osteuropa. Mit Bolzenschneidern kappen sie nahezu zu jeder Tages- und Nachtzeit die dicken - und damit schweren - Kupferkabel, mit denen Gleisanlagen, Oberleitungen, Treibstoff- und Gas-Waggons geerdet sind, und verkaufen sie zu sehr guten Preisen auf dem Schwarzmarkt. In Süßenbrunn wurde das Erdungskabel eines Strommasten gestohlen - so konnte der Blitz weitaus stärker einfahren. 

Einige Zeit lang versuchten die ÖBB, fehlende Erdungskabel umgehend zu ersetzen, inzwischen hat man diesen aussichtslosen Kampf gegen die Kabeldiebe jedoch weitgehend aufgegeben. "Durch die fehlenden Erdungskabel können die Folgen von Blitzeinschlägen nicht mehr abgeschätzt werden", so ein Bundesbahner.

ÖBB-Pressesprecher Herbert Ofner ist derzeit nicht in der Lage, die mit dem Neubau des Stellwerkes Süssenbrunn verbundenen exorbitant hohen Kosten abzuschätzen: "Liegen die Anbote vor, dann müssen die erst den Aufsichtsrat passieren."

Die ÖBB versuchen, die Auswirkungen des ausgefallenen Stellwerks - nur ein Gleis statt der üblichen drei stehen zur Verfügung - geringzuhalten. Zwischen Leopoldau und Gerasdorf ist mit bis zu zehn Minuten Verspätung zu rechnen, zwischen Süssenbrunn und Stadlau wurde der Bahnverkehr eingestellt, die S-Bahnzüge von Wien nach Wolkersdorf fallen aus. Alle Züge der Nordbahn werden über Meidling- Wien-Mitte-Floridsdorf umgeleitet, was 30 Minuten Verspätung zur Folge hat.