Höhere Billettpreise beim ZVV stossen auf Widerstand

Der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) will die Billettpreise anheben. Damit gerät er in die Kritik: SBB und ZVV-Partner wollen die Kaufkraft der Kunden in der Krise nicht schmälern.

Kritik aus allen Richtungen:

Der ZVV will die Billetpreise per Ende 2010 erhöhen                    Foto: SBB 

ZVV-Direktor Franz Kagerbauer wiederholte Dienstag vor Behördenvertretern in Winterthur, was er tags zuvor schon in Wallisellen gesagt hatte: Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise erwägt er, die Ticketpreise per Ende 2010 zu erhöhen. Im letzten Jahr sind die Einnahmen beim ZVV zwar um mehr als 25 Millionen Franken gestiegen. Doch nun ist laut Kagerbauer «ahnbar», dass die Einkünfte aus dem Billettverkauf weniger stark steigen werden als erwartet. Seine korrigierte Prognose der Nettoerträge zeigt eine Differenz von 25 bis 50 Millionen Franken bis ins Jahr 2014.

Matthias Gfeller (Grüne), als Stadtrat in Winterthur für die Busse verantwortlich, stellte Kagerbauers Prognose dabei entschieden infrage: «Wenn die Leute weniger Geld haben, steigen sie möglicherweise vom Auto auf Bahn und Bus um. Die Krise beschleunigt unter Umständen das Wachstum im ZVV noch.» Er bezweifle, so Gfeller, dass die Prognose solid sei. Die Kritik ist brisant, weil Gfeller dem Verkehrsrat angehört – dem Verwaltungsrat des ZVV.

Kunden üben Kritik
Kritik kommt aber auch von Kundenseite. Der Verein Pro Bahn Schweiz taxiert die Pläne des ZVV als «kundenfeindlich». «Es geht nicht an, dass die Bahnfahrer in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit zur Kasse gebeten werden», sagt Präsident Edwin Dutler. Der ZVV, so kritisiert er, zeige vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem Kantons- und Regierungsrat, dem er Rechenschaft über seine Einnahmen und Ausgaben ablegen müsse.

Irritation herrscht auch im Kanton Aargau. «Eine Billettverteuerung ist jetzt nicht angebracht», sagt Martin Osuna, der Geschäftsführer des Tarifverbundes A-Welle. Die Preispolitik des ZVV möchte er nicht weiter kommentieren. Osuna sieht erhöhten Tarifen im Kanton Zürich gelassen entgegen – er befürchtet nicht, dass die A-Welle finanziell unter Druck gerät, weil der ZVV einen Teil der Kosten von verbundübergreifenden Leistungen auf die Aargauer überwälzen könnte. Jeder Tarifverbund sei eigenständig, sagt Osuna. Eine Änderung in der Tarifgestaltung sei letztlich eine politische Frage.

Kanton soll ZVV mehr Geld geben
Im Kanton Zürich provoziert der Vorschlag des ZVV gemischte Reaktionen. Peter Anderegg, Vizepräsident der Zürcher Sektion des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV), hält eine Preiserhöhung mit Blick auf das düstere konjunkturelle Umfeld für «denkbar schlecht». «Die Kunden zur Kasse zu bitten, ist falsch», sagt Anderegg, der für die SP im Kantonsrat politisiert. Falls künftig weniger Geld in die ZVV–Kasse fliessen sollte, müssen nach Ansicht von Anderegg der Kanton und die Gemeinden den Fehlbetrag übernehmen und den Rahmenkredit für den ZVV – er beträgt für 2008/2009 über 700 Millionen Franken – aufstocken. Einigkeit herrscht im VöV Zürich aber nicht. Präsident Gerhard Fischer, Kantonsrat der EVP, kann mit einer massvollen Erhöhung leben. Die Reisenden, ist er überzeugt, akzeptierten die ZVV-Strategie der kleinen Schritte.

Auch die SBB fahren auf einer anderen Schiene als der ZVV. Bis mindestens Ende 2010 sehen sie von einer Anhebung der Billettpreise ab. «Wir möchten damit einen Beitrag leisten und die Kaufkraft der Bevölkerung erhalten», sagt Sprecher Roland Binz. Die SBB rechnen nicht mit sinkenden Einnahmen im Ticketbereich. Im Gegenteil. Noch nie sind in der Schweiz so viele Reisende mit dem Zug gefahren wie 2008. Die SBB haben die Zahl der beförderten Passagiere abermals steigern können, und zwar auf 322,6 Millionen – ein Plus von 5,2 Prozent gegenüber 2007.

Dieser Trend hat sich heuer fortgesetzt, dies trotz Wirtschaftskrise. «Die Nachfrage hat weiter zugenommen», sagt SBB-Sprecher Roland Binz. Der Befund trifft für die Schweizer Zugreisenden zu. Einen leichten Rückgang verzeichnen die SBB hingegen bei den Bahnfahrern aus dem Ausland, die es laut Binz offenbar wegen der Wirtschaftskrise weniger in die Schweiz zieht als 2008. Unter dem Strich, sagt Binz, sei das Passagieraufkommen im ersten Jahresdrittel aber gestiegen.

Billigangebote ausbauen
Dass die Wirtschaftskrise den Schweizern das Bahnfahren nicht vergällt, begründen die SBB mit der hohen Zahl von Pauschalfahrausweisen: 380'000 Generalabos und über 2,2 Millionen Halbtax-Abos sind derzeit im Umlauf. Die Bahnfahrer, so Binz, seien treue Kunden – und preissensitiv. Dies zeigt sich laut Binz an der «gut verkauften» 9-Uhr-Tageskarte, mit der es sich ab 45 Franken durch die Schweiz fahren lässt. Für diese «preisbewussten Kunden» wollen die SBB das seit 2002 bestehende Click-and-Rail-Angebot ausbauen.

Anders als der ZVV sehen die SBB in der Krise auch eine Chance: Sie versprechen sich von dieser Erweiterung neue Bahnkunden und eine Entlastung der Züge in den Hauptverkehrszeiten. Haben die Reisenden weniger Geld im Portemonnaie, werden sie laut Binz möglicherweise noch preissensitiver, was sich in einer starken Nachfrage nach diesem Angebot niederschlagen könnte.